VO2max & Laktatschwelle: Die Goldstandards der Leistungsdiagnostik?

VO2Max

Wer sich ernsthaft mit Ausdauersport beschäftigt, kommt an zwei Begriffen nicht vorbei: VO2max und Laktatschwelle. Diese beiden Parameter gelten seit Jahrzehnten als die Goldstandards der Leistungsdiagnostik. Doch was macht sie so besonders, und wie bewerten aktuelle Studien ihre Bedeutung? Gibt es vielleicht sogar Alternativen, die genauso aussagekräftig sind? In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf diese Fragen.


Was ist die VO2max?

Die VO2max (maximale Sauerstoffaufnahme) ist ein Maß dafür, wie viel Sauerstoff der Körper während intensiver Belastung aufnehmen, transportieren und verwerten kann. Sie wird in Millilitern Sauerstoff pro Minute pro Kilogramm Körpergewicht (ml/min/kg) gemessen und gilt als einer der besten Indikatoren für die aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit.

  • Warum ist sie wichtig?
    Je höher die VO2max, desto mehr Sauerstoff steht den Muskeln zur Verfügung, um Energie zu produzieren. Das bedeutet: Bessere Ausdauer, schnelleres Tempo und effizientere Leistung.
  • Wie wird sie gemessen?
    Die genaueste Methode ist ein Spiroergometrie-Test, bei dem die Atemgase während einer stufenweisen Belastung (z. B. auf dem Laufband oder Fahrradergometer) analysiert werden.

Was ist die Laktatschwelle?

Die Laktatschwelle (auch anaerobe Schwelle genannt) ist der Punkt, an dem die Laktatproduktion im Körper die Laktatabbaukapazität übersteigt. Ab diesem Zeitpunkt steigt die Laktatkonzentration im Blut exponentiell an, was zu einer schnellen Ermüdung führt.

  • Warum ist sie wichtig?
    Die Laktatschwelle gibt Auskunft darüber, bei welcher Intensität ein Sportler über einen längeren Zeitraum trainieren oder wettkämpfen kann, ohne zu ermüden. Sie ist entscheidend für die Trainingssteuerung und die Wettkampfvorbereitung.
  • Wie wird sie gemessen?
    Während eines stufenweisen Belastungstests wird regelmäßig Blut abgenommen, um die Laktatkonzentration zu bestimmen. Die Schwelle liegt typischerweise bei etwa 4 mmol/l Laktat, kann aber individuell variieren.

Wie bewerten aktuelle Studien diese Werte?

Die VO2max und die Laktatschwelle sind nach wie vor wichtige Parameter in der Leistungsdiagnostik, aber aktuelle Studien zeigen, dass sie nicht die ganze Geschichte erzählen.

  1. VO2max: Nicht der einzige Faktor
    Während eine hohe VO2max zweifellos vorteilhaft ist, zeigt die Forschung, dass andere Faktoren wie Ökonomie der Bewegung (wie effizient ein Sportler Sauerstoff nutzt) und psychologische Aspekte (z. B. Schmerztoleranz) ebenfalls eine große Rolle spielen. Einige Studien deuten sogar darauf hin, dass die VO2max bei bereits gut trainierten Athleten weniger stark mit der Leistungsfähigkeit korreliert als bei Anfängern.
  2. Laktatschwelle: Individuelle Unterschiede
    Die Laktatschwelle ist ein nützlicher Marker, aber sie ist nicht bei allen Sportlern gleich. Einige Athleten haben eine höhere Toleranz gegenüber Laktat, während andere bereits bei niedrigeren Konzentrationen ermüden. Zudem kann die Laktatschwelle durch gezieltes Training verschoben werden, was ihre Aussagekraft als statischer Wert einschränkt.

Gibt es Alternativen zu VO2max und Laktatschwelle?

Die Leistungsdiagnostik entwickelt sich ständig weiter, und es gibt mittlerweile alternative Methoden, die zusätzliche Einblicke in die Leistungsfähigkeit bieten:

  1. Critical Power (CP) und W‘ (Watt-Prime)
    Diese Konzepte stammen aus dem Radsport und beschreiben die maximale Leistung, die ein Athlet über einen bestimmten Zeitraum aufrechterhalten kann. Sie sind besonders nützlich, um die anaerobe Kapazität und Ermüdungsresistenz zu bewerten.
  2. Herzfrequenzvariabilität (HRV)
    Die HRV misst die Variation der Zeitabstände zwischen den Herzschlägen und gibt Aufschluss über den Erholungszustand und die Anpassungsfähigkeit des Körpers. Sie wird zunehmend zur Steuerung des Trainings eingesetzt.
  3. Submaximale Tests
    Tests wie der Cooper-Test (12-Minuten-Lauf) oder der Conconi-Test bieten einfache, aber effektive Möglichkeiten, die Ausdauerleistungsfähigkeit ohne aufwendige Laborbedingungen zu bewerten.
  4. Technologiegestützte Analysen
    Wearables und Smartwatches liefern immer präzisere Daten zu Laufökonomie, Schrittfrequenz und Herzfrequenz. Diese Informationen können genutzt werden, um das Training individueller zu gestalten.

Fazit: VO2max und Laktatschwelle bleiben relevant, aber sie sind nicht alles

Die VO2max und die Laktatschwelle sind nach wie vor wichtige Werkzeuge in der Leistungsdiagnostik, aber sie sollten nicht isoliert betrachtet werden. Aktuelle Studien zeigen, dass eine ganzheitliche Betrachtung der Leistungsfähigkeit – unter Einbeziehung von Faktoren wie Bewegungsökonomie, psychologischer Resilienz und individueller Trainingsanpassung – entscheidend ist.

Für ambitionierte Sportler lohnt es sich, neben den klassischen Tests auch alternative Methoden auszuprobieren, um ein umfassendes Bild der eigenen Leistungsfähigkeit zu erhalten. Denn am Ende geht es nicht nur darum, wie viel Sauerstoff du aufnehmen kannst, sondern wie effizient du ihn nutzt – und wie gut du dein Potenzial ausschöpfst.


Quellen:

  • Jones, A. M., & Carter, H. (2000). The effect of endurance training on parameters of aerobic fitness. Sports Medicine, 29(6), 373-386.
  • Faude, O., Kindermann, W., & Meyer, T. (2009). Lactate threshold concepts: How valid are they? Sports Medicine, 39(6), 469-490.
  • Seiler, S. (2010). What is best practice for training intensity and duration distribution in endurance athletes? International Journal of Sports Physiology and Performance, 5(3), 276-291.